"...auf ein Wort, auf nur ein Wort.."
In meiner Tätigkeit als Medium begegne ich so vielen Menschen, die mit der Tatsache leben müssen, dass sie sich von einem geliebten Menschen aus irgendeinem Grund nicht verabschieden konnten. Ich möchte hierfür ein paar Beispiele aufzählen. Da ist die jahrelange, heimliche Geliebte, die ihren Freund nicht mehr im Krankenhaus besuchen durfte und auch nicht an der Trauerfeier teilnehmen konnte. Oder die Geliebte, von der die Familie wusste und man gerade wegen ihr den Verstorbenen an einem geheimen Ort begrub, damit sie ohne Abschiednehmen weiterleben musste. Dann gibt es die vielen Fälle, wo jemand sich einfach nicht verabschieden konnte, weil der andere Mensch von einem Moment auf den anderen verstorben ist. Es kann auch sein, dass man im Ausland weilt und ein Familienmitglied liegt plötzlich im Sterben, aber auch das schnellste Flugzeug der Welt ist zu langsam, um noch rechtzeitig zum Abschied nach Hause zu kommen. Auch eine unbefriedigende Situation ergibt sich dann, wenn man zwar an der Trauerfeier teilnehmen kann, aber gleichzeitig weiss, dass der Verstorbene sich eine ganz andere Trauerfeier gewünscht hätte, aber man darauf keinen Einfluss ausüben konnte.
Das beim Sterbeprozess "nicht dabei sein können" ist das Eine das uns im Nachhinein ewig beschäftigt. Das Andere ist, dass wir dem Sterbenenden noch so viel hätten sagen wollen, aber eben, es kam nicht mehr dazu.
" Ein Ende das keinen Anfang hat, ist kein Ende"
Man hat nun in dieser unbefriedigenden Situation zwei Möglichkeiten, entweder man verharrt unglücklich in diesem Vakuum und kommt ein Leben lang nicht darüber hinweg, oder man entscheidet sich, die Geschichte neu zu schreiben. Die Methode und die Vorgehensweise für diese Möglichkeit haben sich in meinen unzähligen Trauerberatungen bewährt. Lassen Sie mich, sie Ihnen näher bringen.
".... was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette und ein letztes Glas im Stehen..."
Sie gehen folgendermassen vor. Sie gehen in ein Schreibwarengeschäft und kaufen sich mehrere Blätter schönes Schreibpapier. Lassen Sie sich Zeit beim Auslesen. Das Briefpapier soll ausschliesslich Ihnen gefallen. Dazu kaufen Sie sich einen schönen Schreibstift, der nur für dieses Schreiben verwendet wird und danach nie mehr. An einem freien Tag und in guter Verfassung und in aller Ruhe, setzen Sie sich vor den leeren Briefbogen und schreiben dem Verstorbenen einen Brief. Ich gebe eine kurze Auswahl an Themen, die in diesem Brief angesprochen werden könnten:
in welchem Verhältnis stand ich zu dem Verstorbenen, oder wo haben wir uns kennengelernt
welche Lebensphase verband uns
was hat mich an dem Menschen begeistert, was hat mich an ihm gestört
gab es Themen, die wir miteinander geteilt haben
gibt es Dinge, die ich diesem Menschen nie aus meiner Sicht schildern konnte und es jetzt aber tun möchte
was verband uns mit ihm, was trennte uns eher
wie waren die letzten Wochen, Montate seines Lebens und wie standen wir mit ihm in Konktakt
wie ist er gestorben, wie haben wir davon erfahren
Die Reihenfolge ist dabei unwichtig. Es fällt Ihnen bestimmt noch das eine oder andere mehr dazu ein.
"Wenn die Zeit vorbei ist, beginnt die Ewigkeit"
Nun kommen wir zum zweiten Teil des Schreibens. In diesem Teil unseres persönlichen Briefes schreiben wir den Schluss selbst. Wir schreiben dem Verstorbenen, wie wir uns den Abschied vorgestellt hätten.
was unser Wunsch gewesen wäre
ohne wenn und aber, einfach ganz ehrlich und von der Leber weg
was wir ihm alles noch hätten sagen wollen
wie wir uns seine Trauerfeier gewünscht hätten
was wir bei diesem Anlass gesagt oder beigetragen hätten, welche Musik wir ausgewählt hätten
wofür wir uns entschuldigt hätten
welche Entschuldigung wir uns von ihm gewünscht hätten
"Ein Ende ist ein gutes Ende, wenn alles gesagt ist"
Packen Sie alles, wirklich alles was Ihnen in den Sinn kommt in diesen Brief. Dann legen Sie das Papier irgendwohin und lassen es ein paar Tage, oder Wochen liegen. Dann nehmen Sie es wieder hervor. Nun streichen Sie durch, was Sie anders oder gar nicht schreiben würden, ergänzen was es zu ergänzen gibt. Es geht nicht darum, dass der Brief am Schluss schön ist. Es ist ein gewachsenes Werk, das so oft verändert werden darf wie Sie möchten. Sie können das Schreiben nochmals für geraume Zeit weglegen und wieder hervor nehmen. Irgendwann werden Sie merken, jetzt ist es richtig. Jetzt ist alles gesagt. Dann nehmen Sie den Umschlag mit dem Brief drin fest zwischen Ihre Hände, gehen im Geiste nochmals ganz nah zum Verstorbenen und dann trennen Sie sich von diesem kostbaren Schriftstück, in welcher Form auch immer. Verbrennen Sie den Brief, übergeben Sie ihn einem fliessenden Gewässer, vergraben sie ihn...... wie Sie möchten.
Damit haben Sie die Geschichte neu geschrieben. Und nur diese Version ist jetzt die Richtige und die Wahre. Und es ist Ihre Geschichte, die nun in Ihrem Leben Platz gefunden hat. Was andere darüber denken, muss Sie nicht interessieren. Den Brief, den Sie geschrieben haben ist auch für niemand anderen bestimmt. Niemand ausser Ihnen hat ihn je gelesen. Sie werden sehen, dass Sie irgendwann im Nachgang ein besses Gefühl bekommen, was der Abschied von diesem Menschen betrifft. Sie werden Ihren Frieden machen können, weil die Geschichte eben anders ausgegangen ist.
Pobieren Sie es aus und lassen Sie mich wissen, wie es Ihnen damit gegangen ist. Vielleicht müssen Sie beim Schreiben weinen, aber das macht nichts, sondern es wirkt heilend.
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